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Die Kelten
So wurde bei den Kelten gebaut
So wurde bei den Kelten gebaut
So wurde bei den Kelten gebaut
So wurde bei den Kelten gebaut
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So wurde bei den Kelten gebaut

So wurde bei den Kelten gebaut

Eine Scherbe oder ein kleines Metallstück aus keltischer Zeit nützt nichts, wenn der Zusammenhang fehlt. Eindrucksvoll zeigt Archäologe Markus Schußmann bei der Grabung auf dem Staffelberg, was wir heute über die Bauarbeiten von damals lernen können.

Sehen Sie hier den Fußabdruck? Er ist von einem keltischen Bauarbeiter, der hier auf einem feuchten Untergrund stand“, sagt Markus Schußmann, der Leiter der Ausgrabungen. Die Kelten haben Spuren hinterlassen, als sie das Zangentor am Fuß des Staffelbergs errichteten.

Dieser eine überlieferte Fehltritt zeigt, dass es um mehr geht als ein paar Münzen oder Scherben. „Ein Fund ohne Befund ist nutzlos“, sagt der Archäologe. Das ist die Leitlinie beim Freilegen der keltischen Spuren rund um das Zangentor, das auf halbem Wege zwischen Bad Staffelstein und dem Staffelberg liegt.

Behutsam wird von Schußmann und seinem Team Schicht für Schicht freigelegt und dokumentiert. Inzwischen ist die sechste Ebene erreicht, in der jeweils mehrere Schichten zu sehen sind. Sieben oder acht solcher „Plana“ werden es werden, dann ist das keltische Oberflächenniveau erreicht.

Wer kein Archäologe ist, sieht eine mittel- bis dunkelbraune Grube. Die Experten haben ein Auge, das ganz anders geschult ist. Im Querschnitt sehen sie, welches die unterste Lehmschicht war, auf der dann die „keltische Humusschicht“ lag – also die Oberfläche vor 2200 Jahren.

„Auch damals gab es nicht nur befähigte Bauarbeiter“, ermittelt Schußmann, wenn er auf die schiefen Grabenverläufe blickt. Die Beweislage ist auch nach Jahrtausenden noch eindeutig. Weil mehrere Queranker der Befestigung übereinander verwendet werden sollten, musste Dolomit abgemeißelt werden. Die sieben Meter langen Eichenbalken brauchten ihren Platz. Das geschah, als die Balken schon in ihrer Position lagen, aber noch nicht eingegraben waren. Die Dolomitasche füllte diese Lücke. Und heute sind die Eichenbalken verrottet, der „Meißelstaub“ von damals zeigt aber noch genau, wo die Balken lagen und welchen Querschnitt sie hatten.

„Wer mitgräbt, lernt viel“, findet Claus Schaffraneck. „Markus Schußmann ist ein großartiger Ausgräber und ein großer Pädagoge. Wir können hier zusehen, wie sich Erkenntnis entwickelt.“ Schaffraneck ist einer der Ehrenamtlichen, die sich freiwillig gemeldet haben, um bei den Grabungen zu helfen. Er hat sich zwei Wochen Urlaub genommen, um am Staffelberg dabei sein zu können. Er kniet auf ein paar Steinen, die er mit der Hand und einer kleinen Spachtel freilegt. Er gräbt und kratzt so weit, dass sie gut sichtbar, aber noch nicht locker sind. Ihre Position ist entscheidend und soll exakt dokumentiert werden.

Dafür fliegt immer wieder eine Drohne über die Grabungsstelle, die Aufnahmen macht und alle Details im Zusammenhang festhält. „Diese 3D-Dokumentation ist noch längst kein Standard“, sagt Schußmann. Aus den Bildern werden Pläne der einzelnen Plana erstellt und mit den eingemessenen Befundgrenzen und Funden verschnitten. Dies ist einerseits Teil der archäologischen Dokumentation, dient aber auch der Veranschaulichung der Befundsituation und kann schließlich auch als Grundlage für eine digitale Rekonstruktion dienen.

Durch Funde in den Erdanschüttungen der Verteidigungsmauern, kann Schußmann sagen: „Wir wissen jetzt schon sicher, dass es hier zuerst eine Siedlung gab, die dann zu einem späteren Zeitpunkt mit der Wehranlage geschützt wurde.“ Die keltischen Bauarbeiter hinterließen ihre Spuren. Speisereste, von denen heute noch die Knochen erhalten sind, sind ebenso mit eingegraben worden, wie verschiedene Eisenteile, die von zu Bruch gegangenen Fibeln stammten. Aus den Eisenteilen folgert Schußmann: „Die Kelten haben damals ihren Wohlstandsmüll hierher gekippt.“ Die Kelten auf dem Staffelberg lebten also schon in einem gewissen Luxus, als sie begannen, sich und ihre Siedlung zu schützen.

Das zeigen auch andere Fundstücke von der Baustelle. Schußmann fand Scherben von keltischen Töpfen. „Sie sind aus Graphitton, der aufwändig aus dem Donauraum importiert wurde. Anderswo hat man solch wertvolle Töpfe repariert, wenn sie zu Bruch gingen, hier hat man sie einfach weggeworfen.“

Über ein Dutzend Fragmente von Fibeln haben Schußmann und sein Grabungsteam am Staffelberg gefunden: „Diese Gewandspangen waren damals ein Mode-Accessoire – damit können wir die Entstehungszeit ziemlich gut verorten.“ Wann diese Spangen geschmiedet wurden, lässt sich auf zehn bis 20 Jahre genau datieren. Und auch diese kleinen Details lassen große Schlüsse zu. Zum Beispiel, dass die keltische Stadt auf dem Staffelberg in der Mitte des zweiten Jahrhunderts vor Christus gegründet wurde. Noch interessanter sind die jüngeren Befunde. Die neueste Fibel stammt aus der Zeit 40 bis 30 vor Christus. Zu dieser Zeit war die keltische Siedlung in Manching schon stark geschrumpft, die Siedlung in Kelheim bereits aufgegeben. „Nachdem der Staffelberg in der Kontaktzone zu den Germanen lag, folgern wir diplomatische Beziehungen der Kelten auf dem Staffelberg mit den Germanen – sonst hätte sich die Siedlung nie so lange gehalten“, erzählt Schußmann.

Aus den vielen zunächst unscheinbaren Details Bilder zu zeichnen und Schlüsse zu ziehen, begeistert den Laien-Archäologen Schaffranek. Die Gespanne der Kelten waren beispielsweise damals schon genormt. Die Spurweite der Räder lag bei 1,10 Metern. Schaffranek ist Amtsrichter, diese Beweisführung beeindruckt ihn. „Markus Schußmann hat ein scharfes Auge und eine sichere Hand.“
Dieser will auch zeigen, wie die oft verklärten Kelten mit der Natur umgegangen sind: „In der Siedlung am Staffelberg sind ganze Wälder verschwunden, soviel Holz wurde für die Anlagen gebraucht.“ Der Raubbau der Kelten an der Natur war gekoppelt mit einem enormen Wissen. Auch vor 2200 Jahren wussten sie schon, wie sie bestimmte Hölzer am besten einsetzten. Eiche als stabiles Bauholz, Linde als Schnitzholz, Esche für ihre hölzernen Spaten. „Wir können auch ein weit entwickeltes Zimmermannshandwerk entdecken, dass vernünftige Holzverbindungen kannte. Und wir haben unterschiedliche Nägel für die verschiedensten Anwendungen gefunden.“ Natürlich wurde damals alles von Hand gemacht. Was für ein Luxus war es da, dass sogar Konstruktionshölzer wie die Queranker, die komplett vergraben wurden, auf allen vier Seiten behauen wurden. Durch das Zubeilen erhöhte sich die Lebensdauer der eingegrabenen Eichenbalken – und das war ganz offenbar den Bauherrn damals wichtig.

Die Kelten haben auf dem Staffelberg nicht nur ihre Fußabdrücke hinterlassen. Jeder, der sich ihnen heute nähert, kommt aus dem Staunen über das enorme Wissen und die enormen Fähigkeiten nicht heraus. Doch warum die Kelten trotz alledem ihre Siedlung und auch das prächtige Zangentor verließen, bleibt weiterhin ein Rätsel. Markus Schußmann arbeitet mit scharfem Auge daran, es Stück für Stück zu lösen.

Bildmaterial © Tim Birkner

Tim Birkner
Tim Birkner

Tim Birkner lebt und arbeitet als freier Journalist und Tonmeister in Lichtenfels. Die Geschichten und Momente, die Menschen prägen, möchte er in Wort, Bild und Ton festhalten.