Hochprozentiges aus heimischen Früchten
- 22. Oktober 2020, 14:00 Uhr
- Von Mathias H. Walther
- Lesedauer: 4 min
Seit dem 15. Jahrhundert werden in vielen Ländern Europas alkoholische Spezialitäten hergestellt. Auch bei uns am Obermain. Hier hat nicht zuletzt das ausgeglichene Klima die Obstbaukultur begünstigt. Und damit auch die Brennereien und Destillerien.
Bekannt sind in der Region Obermain·Jura vor allem die Streuobstwiesen. Und nicht zuletzt die Musteranlage am Banzer Berg, die – basierend auf dem sortenreichen Obstgarten der Mönche von Kloster Banz – vom Kreisverband für Gartenbau und Landespflege geschaffen wurde. Heute wachsen hier rund 240 Obstbäume. Darunter etwa 150 Apfelbäume und 20 Birnbäume sowie Zwetschgen, Mirabellen, Kirschen, Walnuss, Quitten, Speierling und Mispeln. Alles Obstsorten, die für die Region typisch sind. Eine einmalige Sammlung, die man jederzeit besuchen kann.
Kein Wunder, dass sich bei der Obstvielfalt auch die Kunst entwickelt hat, aus vergorener Fruchtmaische edle Schnäpse, Brände, Geiste zu brennen oder wohlschmeckende Liköre herzustellen. Vor allem Obstwässer oder Brände aus zuckerhaltigen Obstsorten wie Apfel oder Birnen, aber auch Zwetschgen, Pflaumen, Mirabellen, Kirschen und Quitten werden hier gebrannt. Dazu werden die Früchte oder deren Saft vergoren und anschließend als Maische destilliert. Ein Brand oder Obstwasser muss mindestens 37,5 % Volumenprozent Alkohol enthalten.
Auch ein Geist muss wenigstens ebenso viel Alkoholgehalt haben. Für Geiste werden – wegen des geringeren Zuckergehalts – bevorzugt Beerenobst und Wildfrüchte (Himbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren, Holunder, Vogelbeeren, Schlehen sowie Nüsse, Kräuter und Gewürze) unter hinzufügen von Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs mit 96 % Volumenprozent Alkoholgehalt verwendet. Dieser Vorgang, bei dem kein Alkohol durch Gärung entsteht, dauert je nach verwendeter Frucht zwischen wenigen Stunden bis hin zu mehreren Wochen. Anschließend wird das Gemisch abdestilliert.
Eine weitere Möglichkeit, den Geschmack von Beeren und Früchten zu konservieren, ist die Herstellung von Likören. Das sind Mischgetränke aus Alkohol, Zucker und geschmacksgebenden Essenzen. Der Mindestalkoholanteil liegt bei etwa 15 Prozent. Viele der Rezepte haben ihren Ursprung im Wissen alter Klosterlaboratorien und Apotheken. Altes Heilwissen ist darin ebenso verarbeitet, wie das richtige Gespür für die optimale Geschmacksabrundung. Heimische Produkte und regionales Brennhandwerk, das von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird, machen sich natürlich in der Qualität von Schnaps und Co. bemerkbar.
Viele der zahlreichen fränkischen Destillerien haben eine lange Familientradition, betreiben einen eigenen Hofladen oder haben eine eigene Gaststätte, in der sie ihre Erzeugnisse anbieten. Viele von ihnen bauen ihr Obst auch selbst an. So auch die Familie Leicht in Unterzettlitz, bei der inzwischen Sohn Florian (siehe Foto Seite 46) das Regiment übernommen hat. Aber – wie schon sein Vater Martin – steht der 37-Jährige auch für zahlreiche Privatleute, die ihre Maische in Fässern aus ganz Oberfranken anliefern, in der Destillerie.
Maische-Fässer – wohin man blickt
2018 war ein gutes Jahr. Was für Florian Leicht natürlich eine Menge Arbeit mit sich bringt, wie im Hof der Brennerei zu sehen ist. Nahezu 500 Fässer mit Maische wurden von seinen Kunden angeliefert. Und die will zu köstlichen Spirituosen verarbeitet sein. „Ich denke“, sagt er schmunzelnd, „da habe ich bis nächstes Jahr gut zu tun.“ Schließlich ist es nicht nur das Brennen im Kundenauftrag, da müssen auch alle Formalitäten erledigt werden, bevor das hochprozentige Produkt aus Äpfeln, Birnen, Zwetschgen, Quitten, und, und, und von den Maischelieferanten in Empfang genommen werden kann.
Hinzu kommen die Produkte, die Florian Leicht für den eigenen Laden produziert und abfüllt. Hunderte Flachen stehen in den Regalen – vom edlen Geist über den fruchtigen Brand bis hin zum schmackhaften Likör. Alles aus Früchten der Region. Auch das neue Kind aus der Edelbrennerei Leicht: Ein Gin, der sich mit seinen Verwandten aus Holland, Frankreich oder England problemlos messen kann.
Nicht nur „Männersache“
Es ist übrigens ein Irrglaube, dass nur Männer an der Anlage einer Brennerei stehen. Ingrid Meixner gilt als einzige Brennerin am Obermain. Die 48-Jährige, die im landwirtschaftlichen Familienbetrieb schon als Jugendliche beim Brennen dabei war und auch Hand angelegt hat, ist seit 2006 Chefin an der Anlage der kleinen Destillerie. Sie ist nicht nur firm in Sachen Brennrecht, weiß worauf beim Zoll zu achten ist und kennt die Kniffe bei der Herstellung edler Spirituosen. „Kirschen“, sagt sie, „laufen zurzeit gut.“ Aber auch Birnen und Zwetschgen – überhaupt einheimisches Obst – werden in Bad Staffelstein-Neuhof verarbeitet. Im Haus Meixner widmet man sich seit Jahrzehnten der Erzeugung von Spirituosen. „Bei uns wurde bereits vor dem Krieg gebrannt“, berichtet Ingrid Meixner. Und auf die Frage, welchen Schnaps sie denn am liebsten trinkt, bekommt man eine klare, aber verblüffende Antwort: „Ich trinke keinen Alkohol.“
Aus der Not heraus geboren
Nicht nur Obst und heimische Früchte werden am Obermain zu schmackhaften Spirituosen verarbeitet. In Buch am Forst zum Beispiel, beim Geflügelhof Nitter, widmet sich Tochter Lisa (24) der Herstellung von Eierlikören. Und das in vielfältigen Geschmacksrichtungen. „Das ist aus der Not heraus entstanden“, erzählt Chefin Monika Vogt. „Wir haben durch unser Geflügel ganz einfach zu viele Eier.“ Und so beschloss Lisa Nitter, die ihre berufliche Heimat im Ernährungs- und Versorgungsmanagement hat, sich der Herstellung von Eierlikör zu widmen – klassisch, wie es der deutsche Rockmusiker Udo Lindenberg liebt, aber auch in den Geschmacksrichtungen Marzipan, Vanille, After-Eight oder Kokos. Verkauft werden die Produkte im Hofladen der Familie.
• In der Tourismusregion finden Sie zahlreiche Erzeuger von Spirituosen. Liste zum download
Bildmaterial © Mathias H. Walther