Hände wollen schönes Schaffen
- 03. Dezember 2020, 10:00 Uhr
- Von Christoph Winter
- Lesedauer: 5 min
Kein Stück Holz ist vor ihm sicher: Der Kunsttherapeut Eckart Henzler aus Erlach bei Weismain schnitzt Spieltiere. Eine Besonderheit sind die Baumstamm-Bücher mit den integrierten Krippenfiguren.
Zunächst hat die Figur grobe Umrisse. Der Kopf ist zu erkennen, mehr aber kaum. Nach kurzer Zeit aber, wenn Eckart Henzler aus dem handtellergroßen Stück Holz einen Span heraus geschnitzt hat, da eine Kontur verstärkt und dort eine Rundung zurückgenommen hat – je mehr Zeit verrinnt, je mehr Holzspäne sich auf dem Boden kringeln, umso deutlicher treten Form und Gestalt zutage. In den Händen von Eckart Henzler entsteht so in kurzer Zeit die Königsfigur einer Weihnachtskrippe.
Eckart Henzler ist einer der wenigen kommerziellen Hersteller von handgeschnitzten Holztieren in Deutschland. Auch Weihnachtskrippen und Baumstamm-Bücher entstehen in der Werkstatt in Erlach.
„Es ist eine Freude zu sehen, wie Kinder mit den geschnitzten Holztierchen spielen, wie sie die weichen und warmen Formen in den Händen halten und immer wieder neu zusammenstellen“, sagt Eckart Henzler. Die geschnitzten Tiere – darunter Fuchs, Hase und Igel, Vertreter aus den afrikanischen Grassteppen, die Meeresbewohner Delphin, Wal, Krake oder Seehund und Robbe – schmiegen sich wie von selbst in die Hand. Glatt, geschmeidig und warm fühlt sich das kleine schwarze Krokodil an, das große Maul scheint fast zu lächeln. Das Tier aus gebeiztem Lindenholz schmeichelt der Hand. Die Formen sind einfach und harmonisch. Gerade wegen der nicht vorhandenen Details kommt das Wesen der Tiere zum Vorschein. „Das darf auch ‚süß‘ sein, aber nie komisch oder verniedlichend“, so Eckart Henzler. Das Holzspielzeug trage dazu bei, dass Kinder die Tiere und Natur schätzen lernen. Die Wärme des Holzes, die geschliffene aber nicht strukturlose Oberfläche lassen die Figuren in der Hand nahezu lebendig werden. „Es fällt leicht, sie lieb zu haben, auch über viele Jahre hinweg.“
Seine Figuren entwirft der studierte Kunsttherapeut selbst. Ob Erlenholz direkt von den Bäumen am Ufer der Weismain, das farbige Holz von Kirsch- und Walnussbäumen, Brennholz oder morsches Holz, „nichts ist vor meinen Händen sicher. Ich bin glücklich, wenn ich etwas schaffe, etwas Schönes, das Freude macht“. Eckart Henzler ist sich sicher, „der Mensch will kreativ sein und die Hände wollen etwas schaffen“.
Bei den „Tieren in den Felsen“ handelt sich natürlich nicht um echte Felsen oder Steine. Vielmehr schnitzt Eckart Henzler diese Motive aus Buchenholz heraus. Es ist sogenanntes gestocktes Holz. In den Wäldern der Umgebung des Erlacher Hofes liegen oft umgestürzte Buchen. Nach einigen Jahren auf dem feuchten Waldboden, beginnen Pilze, die Stämme zu zersetzen. „Solche Stämme muss ich finden, trocknen und spalten, bis ich diese interessant gemusterten Bruchstücke erhalte. Mutter Natur ist also die Künstlerin, die für diese Zeichnung verantwortlich ist.“
Durch das Trocknen wird der Verfall gestoppt und dann beginnt das Sägen, Schnitzen und Schleifen. Diese Tierfiguren sind nicht als Kinderspielzeug gedacht. Das Holz ist durch den Prozess teilweise geschwächt und ist nicht mehr so stabil wie frisches Buchenholz. Darum sprechen diese Figuren Holz-Liebhaber an, die schöne natürliche Formen und Zeichnungen, schätzen.
Eine Besonderheit bei den Arbeiten und Weihnachtskrippen sind die Baumstamm-Bücher von Eckart Henzler. Dafür sägt der Schnitzer einen Baumstamm längs in mehrere Scheiben. Daraus schließlich arbeitet er mit einer Dekupiersäge die Krippenfiguren heraus und verleiht ihnen mit dem Schnitzmesser Individualität. Geschliffen, geölt oder bemalt fügen sich die Figuren in die einzelnen Seiten wieder ein. Die zusammengebunden Stammscheiben lassen sich wie ein Buch zusammenfalten. „Bei den Figuren darf natürlich nichts abbrechen, denn ein ‚Ersatzteil‘ lässt sich kaum nachträglich anfertigen.“
Schon allein wegen ihrer Größe ist eine Weihnachtskrippe aus einem hohlen Lindenstamm der Blickfang in der Werkstatt von Eckart Henzler. „Die dünnen Wände und die Rinde waren erhalten. So konnte ich fünf Türen heraussägen und insgesamt 15 Figuren. Der Stamm öffnet sich an Weihnachten und die Figuren können innen aufgestellt werden. Nach Weihnachten schließt er sich wieder und alle Figuren kehren heim.“ Enthalten sind Maria mit dem Kind, Joseph, Ochs und Esel, die Heiligen Drei Könige, Hirte, drei Schafe, drei Ziegen, und der Stern von Bethlehem. Der Baumstamm hat einen Durchmesser von 90 Zentimetern, ist 75 Zentimeter hoch und dreigeteilt.
Eckart Henzler lässt der Kreativität und Fertigkeit seiner Kunden Raum. Es gibt auch Figuren-Rohlinge aus Lindenholz. „Das ist ein weiches und traditionelles Holz für Schnitzer. Besonders Kinder können damit Erfahrungen sammeln und haben schließlich, nachdem sie es noch gründlich geschliffen haben, ein Erfolgserlebnis, auf das sie stolz sein können.“
Von der Waterkant nach Moskau und in die Weite der russischen Tundra
Geboren wurde Eckart Henzler in München. In Bremen studierte er Kunstpädagogik. Gleich nach dem Studium ging er nach Russland. „Es war die Zeit der Perestroika unter Michail Gorbatschow. Die Grenzen waren durchlässig und es war eine gute Gelegenheit, Russland kennen zu lernen.“ Zunächst war Eckart Henzler mit einem gewöhnlichen Touristenvisum in dem riesigen Land, dann wurde er zur Arbeit an einer reformpädagogischen integrativen Schule in Moskau eingeladen. Zehn Jahre arbeitete er dort mit behinderten und nichtbehinderten Kindern. Malerei und Holzarbeiten herrschten vor.
Es kam eine Zeit, „da habe ich die Stadt nicht mehr ausgehalten. Ich war ohnehin nie ein typisches Kind der Großstadt“. Etwa 400 Kilometer von der russischen Hauptstadt entfernt fand Eckart Henzler in einem Dorf eine neuen Bleibe. „Es gab dort weder eine Straße noch eine Wasserleitung. Die nächste Bahnstation war fünf Kilometer entfernt. Die Menschen leben weitgehend autark.“
Mit der Geburt seines ersten Kindes war das Leben in der russischen Wildnis und Einöde zu Ende. Die Verwandtschaft in Bamberg war der erste Anlaufpunkt wieder in Deutschland. Zusammen mit seiner Frau Katja und vier Kindern lebt er seit sieben Jahren auf dem Erlacher Hof vor den Toren Weismains. Das Anwesen wird nach und nach zu einem ökologischen Handwerkerhof ausgebaut. Behutsam haben sie das Anwesen renoviert und neben Wohnräumen, Werkstatt und kleinem Hofladen auch eine Ferienwohnung in einer Gartenhütte eingerichtet. Der 10 000 Quadratmeter große Garten, den sie ökologisch bewirtschaften, und zahlreiche Tiere von Kaninchen bis Ziegen liefern nicht nur die Grundlagen der Selbstversorgung, sondern bieten auch den Kindern ein Natur-, Abenteuer- und Spielparadies.
Entstehen soll eine kleine Nachbarschaft, die wie eine große Familie funktionieren kann. Das Ziel ist, weg von den Müllbergen, der Vergiftung der Erde, dem endlosen Konsum, weg von der Industrienahrung, der Energieverschwendung. „Dabei helfen uns die Gärten, die Obstbäume, eine gute Vorratshaltung, die Tiere, die Bienen, eine Kreislaufwirtschaft, das Teilen von Überschüssen, Maschinen, Räumen, Autos und die Kunst des Selbermachens.“
• Neben dem Schnitzen von hölzernen Spielzeugtieren arbeitet Eckart Henzler halbtags als Werkstattleiter in einem Behindertenheim in Scheßlitz. Weiter gibt er Schnitzkurse für Kinder. Mehr Informationen unter www.erlacherhof.de
Bildmaterial © Christoph Winter