Franken ist zweigeteilt
- 21. Januar 2021, 10:30 Uhr
- Von Mathias H. Walther
- Lesedauer: 5 min
– zumindest was die Getränkeschwerpunkte angeht. Wir kennen Weinfranken und auch die Wortschöpfung Bierfranken. Womit das Wesentliche klargestellt ist. Wir am Obermain zählen zu den Bierfranken. Wobei gar nicht das immer ein wenig protzig wirkende Zahlenspiel mit den meisten Brauereien herangezogen werden muss. Unser oberfränkisches Bier spricht für sich. Einfach ausprobieren. Und dann merkt man sofort, wieviel Wahrheit in dem Satz steckt: „Auch Wasser wird zum edlen Tropfen, mischt man es mit Malz und Hopfen.“
So vielfältig die Landschaft, die Geschichte und Kultur in Oberfranken ist, so vielfältig und spannend ist auch das Bier, das hier in den vielen Wirtshäusern ausgeschenkt wird. Meist sind es sogar die Bräuwirte, die ihr süffiges Bier in den eigenen Gaststätten – und nur da – ausschenken. Und dann muss es eben doch einmal erwähnt werden: Oberfranken rühmt sich, die meisten selbständig arbeitenden Braustätten zu haben. Ob das so noch stimmt? Na ja, vor nicht allzu langer Zeit – bevor die Craft-Bier-Welle über die bundesdeutschen Gaumen hinweg spülte – war dem wohl so.
Wobei es doch völlig unerheblich ist, ob wir hier eine oder zwei Braustätten mehr oder weniger haben: Fakt ist, dass die Biervielfalt in Franken ihresgleichen sucht. Bei uns am Obermain kennen wir zum Beispiel Bock und Doppelbock, Dunkles, Helles, Keller-, Land- und Lagerbier, Märzen, Pils, Rauchbier, Ungespundetes, Weizen, Festbiere, saisonale Biere und andere mehr. Allesamt nach dem Reinheitsgebot gebraut. Und natürlich nach handwerklicher Tradition. Man kann getrost sagen: Craft-Biere von alters her.
Was freilich nicht heißt, die Brauer am Obermain würden sich der Experimentierfreude verschließen und nur auf traditionellem „Stoff“ beharren. Weit gefehlt, auch hier gibt es die „jungen Wilden“ der Brauzunft, die mit dem Hopfen spielen und ihren Gästen Kreationen wie ein leichtes Pale Ale mit einem Hauch von Zitrusfrüchten, Sommerbiere, Brown Ale, Harvest Moon oder einen kräftigen Bock mit milder Whisky-Torf-Note und malzigen Honig-Tönen kredenzen. Alles natürlich auf Basis des Deutschen Reinheitsgebotes.
Fränkisches Bier ist ebenso vielfältig wie die hier ansässige Brauereilandschaft. Und genauso bodenständig, wie die urige Wirtshausszene mit ihrer typischen, wohlschmeckenden Küche – die auch gerne etwas deftiger sein darf. Und weil man dann doch nicht ganz ohne Zahlen auskommt, kann auch festgestellt werden, dass es in Oberfranken nahezu 1000 Bierspezialitäten aus regionaler Produktion gibt. Genug, dass nahezu jeder Oberfranke sein spezielles Lieblingsbier hat und – fast schon eine Selbstverständlichkeit – mit seinem Brauer meist auch auf Du und Du ist. Im wahrsten Sinne gelebte Genusskultur, deren Reiz schnell auf Gäste überspringt.
Übrigens: In Oberfranken hat man nicht nur zur nächsten Brauerei kurze Wege. Auch die meisten Rohstoffe für die fränkischen Biere finden sich vor der Haustüre. So etwa das Wasser, besonders weiches Mittelgebirgs- oder Felsquellwasser. Für die dunklen Biere oder die frischen Weizenbiere in Oberfranken darf es aber auch durchaus etwas kalkhaltiger sein. Außerdem ist hier eines der größten Anbaugebiete für Braugerste, die in den oberfränkischen Mälzereien zu Braumalz oder auch zu dem nur hier verwendeten aromatisierten Rauchmalz veredelt wird. Schließlich gedeihen auch feinster Aroma- und Bitterhopfen in nächster Umgebung; etwa rund um das mittelfränkische Spalt oder in der bayerischen Hallertau.
Bei rund 1000 Bierspezialitäten der oberfränkischen Brauereien kann nur ein grober Überblick die Vielfalt streifen. Ohnehin ist es besser, die eine oder andere Brauerei zu besuchen und sich einen eigenen Eindruck von den heimischen Biersorten zu machen. Erwähnenswert ist aber das Bockbier, das in Franken große Tradition hat und seit jeher in der Fastenzeit – im Advent oder von Aschermittwoch bis Ostern – ausgeschenkt wird. Einige Brauereien stellen zu besonderen Anlässen ein besonderes Starkbier her – etwa den Maibock oder den Weihnachtsbock. Außerdem kennen die Oberfranken auch noch die stärksten Biere (sie haben oft Namen die auf „-ator“ enden) oder den Eisbock. Ein typisches oberfränkisches „Helles“ schmeckt süffig, würzig und frisch und ist im Gegensatz zum Pilsener etwas weniger hopfenbitter. Beliebt ist hierzulande das Kellerbier, das gerne zu einer Brotzeit frisch getrunken wird. Kellerbier ist ein untergäriges hell-rötliches bis dunkel-bernsteinfarbenes Vollbier. Das Aussehen oberfränkischer Lagerbiere reicht von hellgelb bis tiefdunkel. Traditionell haben sie eine deutlichere Hopfennote und einen ausgeprägten Malzanteil. Märzen oder auch Märzenbier ist ein untergäriges Lagerbier. Da im Brauprozess untergäriger Biere Temperaturen unter 10 Grad Celsius benötigt werden, konnte vor Erfindung der Kühltechnik nur zwischen Herbst und Frühjahr Bier gebraut werden. Die etwas stärker gehopften und damit haltbareren, untergärigen Märzenbiere lagerte man ab März in tiefe Felsenkeller ein, in die man zuvor Eis aus den brauereieigenen Teichen oder aus Flüssen gebracht hatte.
Bei einem Abriss über die fränkische Bierkultur darf eines nicht fehlen: das Rauchbier. Es ist mittel- bis dunkelbraun mit leicht rötlichem Einschlag. Der Geschmack ist vollmundig-herzhaft, leicht malzig und hopfenbitter. Vor allem aber hinterlässt es einen deutlichen Rauchgeschmack. Rauchbier hat in Bamberg und im Bamberger Umland eine jahrhundertealte Tradition. Das Trocknen des Malzes auf der Darre wird durch die Befeuerung mit Buchenholz vollzogen – daher der Rauchgeschmack. Bleiben noch die ungespundeten Biere Oberfrankens. Das sind Biere, die ohne Spundungsdruck – ausgelöst durch die bei der Gärung und Reifung des Bieres entstehenden Kohlensäure – reifen. So entsteht der typische Biercharakter mit wenig Kohlensäure. Die Folge: Beim Einschenken bildet sich nur wenig Schaum. Das Verfahren hat übrigens einen triftigen Grund. Da die Bierfässer früher ausschließlich aus Holz waren und sich bei der Lagerung mit der Zeit immer mehr Kohlensäure bildet, wäre das mit einem Holzzapfen verschlossene Fass durch den Druck irgendwann geborsten. Deshalb entfernte man den Spund frühzeitig, sodass kein Überdruck im Fass entstehen konnte. Typisches Beispiel ist das fränkische Kellerbier. Es reift bei sehr niedrigem Spundungsdruck. Der geringe Kohlensäuregehalt verleiht ihm eine mild-süffige Konsistenz.
Unabhängig davon, dass ein fränkisches Bier aus einem Seidla oder einem Glas ein Hochgenuss als Getränk ist, kann man Bier in Franken auch auf der Speisenkarte finden und mit Messer, Gabel und Löffel genießen. Etwa in Form einer Biersuppe, einer Bierhaxe (während des Bratvorgangs wird das Fleisch mehrfach mit einem dunklen Landbier oder einem Rauchbier übergossen) oder einer Süßspeise, dem Bierschaum, bei dem zum Bier Eier, Zucker und eventuell auch Sahne kommen und letztlich mit Zimt, Kardamon oder Orangen- bzw. Zitronensaft verfeinert werden.
Bildmaterial © iStockphoto, Markus Spiske @ Usnplash und Angela F. Endress